Holpriger Start, aber dann …
Mit einer fulminanten Leistung siegt der SV Hermsdorf mit 30:27 über die SG Suhl/Goldlauter
Hermsdorf. Hannes Rudolph lief zum Siebenmeter-Punkt. Dafür musste er gefühlt über das gesamte Feld laufen, von der Auswechselbank vor das Gehäuse des Gegners. Rudolph wirkte dabei entschlossen, fester Schritt und Körperspannung, wahrscheinlich war es schon im Tunnel, fokusiert auf die vor ihm liegende Aufgabe 26 Sekunden vor dem Abpfiff der Partie, als der Spielstand zwischen dem SV Hermsdorf und der SG Suhl/Goldlauter 29:26 lautete.
Alle Anwesenden wussten nun darum, dass mit einem Tor von Rudolph die Partie endgültig zugunsten der Kreuzritter entschieden sein dürfte, zumal sich eine gewisse Skepsis bei den Anhängern des SVH in den Minuten zuvor ausgebreitet hatte, da die Gäste den Rückstand sukzessiv reduzieren konnten.
Hannes Rudolph nun, der bis dato noch nicht in das Geschehen eingegriffen hatte, wurde am Siebenmeter-Punkt von Robert Zehmisch empfangen, der ihm das klebrige Leder überreichte und seinen Teamkollegen noch einmal herzte, bevor er sich wieder in sein Tor auf der gegenüberliegenden Seite begab. Rudolph wiederum blieb cool, verwandelte den Strafwurf in der für ihn typischen Manier mit zahlreichen Körpertäuschungen – und damit war den Hausherren der Sieg nicht mehr zu nehmen. Endstand: 30:27.
Als sich schließlich der fast schon dionysische Trubel in der Halle nach dem Abpfiff gelegt hatte – u.a. hatte Martin Ehm das Ufta-Kommando übernommen –, stand Mario Kühne breitbeinig und mit verschränkten Armen im Eingangsbereich auf der Rückseite der Halle, eben dort, wohin sich kein Zuschauer verirrt, sondern Spieler, Trainer und Betreuer nach einer Partie anzutreffen sind und das Geschehen im kleinen Kreis noch einmal auswerten und sich dabei ein Bier und eine Zigarette gönnen – natürlich vor der Tür. Und da stand eben nun auch der Trainer, blickte in die Halle und schien den Moment einfach nur zu genießen – still, alleine und auch irgendwie in sich ruhend.
Von solch einem Gemütszustand war Gästetrainer Daniel Hellwig in den Untiefen des zweiten Aktes indes Lichtjahre entfernt. Erst hatte der überragende Robert Zehmisch erneut einen Siebenmeter pariert – es war der vierte in dieser Partie –, anschließend traf der nicht weniger überragende Felix Reis zum temporären 20:13 (38.).
Der Name Felix bedeutet ja frei übersetzt „der Glückliche“ – und genauso schaute Reis dann nach dem Abpfiff aus seiner Handball-Kluft. Erstmals spielte er auf der Mitte im Rückraum und nicht auf seiner angestammten linken Seite. Es war seine Premiere als Regisseur bei den Kreuzrittern, er gab den Denker und Lenker des Spiels. Auf einmal umgab den 22-Jährigen der Habitus des Anführers, der sich auch in Gestik und Mimik widerspiegelte. Außerdem redete, ja schrie er sehr viel, was ihm eine energische Dimension verlieh. Doch damit nicht genug, ließ er doch auch Taten sprechen. Denn als der SV Hermsdorf in den Anfangsminuten der Begegnung schwächelte, waren es in erster Linie seine Tore, die dafür sorgten, dass die Kreuzritter im Spiel blieben. Bis zum Ausgleich von Oleksandr Petrov (6:6/11.) hatte Felix Reis die Hälfte der Tore für den SVH erzielt. „Es war eine völlig neue Erfahrung für mich. Da hat sicherlich noch nicht alles gepasst, aber das wird schon mit der Zeit“, resümierte Felix Reis über sein Debüt auf der Mitte. Er verwies auch darauf, dass ihm Mario Kühne und Martin Ehm, der indes am Kreis agierte, diesbezüglich unterstützen würden. Er sei auf dieser Position natürlich weit mehr gefordert, betonte Felix Reis. Dass er so viel reden müsse, würde nicht nur besagte Position mit sich bringen, sondern sei auch dem Umstand geschuldet, dass es noch die eine oder andere Sprachbarriere bei Oleksandr Petrov und Martin Vulic geben würde. „Da muss man manche Dinge halt öfters sagen“, sagte Reis mit einem Augenzwinkern, der nun seine fünfte Saison bei den Männern des SVH absolviert. Der Sohn von Steffen Reis betonte jedoch auch, dass ihn immer noch Probleme mit der rechten Schulter plagen. Wie es diesbezüglich weitergehen soll, werde sich in den kommenden Wochen zeigen.
Nach der Egalisierung zum 6:6 konnte sich das Team von Mario Kühne und Lutz Klecha dank Toren von u.a. Sebastian Hammer, Martin Ehm, Marvin Schreck und eben Oleksandr Petrov auf fünf Tore (12:7/20.) absetzen. Im zweiten Akt, der beim Stand von 15:12 eröffnet wurde, konnten die Kreuzritter ihre Führung auf sage und schreibe acht Tore (27:19/50.) ausbauen. Insbesondere ein geradezu entfesselt aufspielender Maximilian Remde, dem man die drei Wochen Handballentzug nicht anmerkte, war phasenweise kaum zu stoppen. Gleich einem Handball-Süchtigen gierte er regelrecht nach Toren. Die Zuschauer wiederum waren von dem Dargebotenen ihres Teams äußerst angetan, honorierten dessen erfolgreiches Agieren ein ums andere Mal. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die bierselige Kicker-Delegation des FV Bad Klosterlausnitz aus der Masse gesondert herausstach. Fußballer eben, alles andere als subtil und doppelbödig, dafür aber äußerst lautstark im Rudel.
Erst in den letzten fünf Minuten der Begegnung ließ der SVH in puncto Souveränität etwas nach, sodass die Handballer aus der Waffenstadt noch einmal auf drei Tore (26:29/58.) verkürzen konnten – doch dann marschierte ja Hannes Rudolph zum Siebenmeter-Punkt. „Dass sie es am Ende noch einmal so spannend machen mussten“, sinnierte Mario Kühne und griente schelmisch, als er denn alleine im Eingangsbereich auf der anderen Seite verweilte – breitbeinig und mit verschränkten Armen vor der Brust.
SV Hermsdorf: Rudolph 1, Schreck 2, Reis Fe. 5, Götze 2, Reis Fr., Nedved, Hammer 6, Heilwagen, Ehm 2, Petrov 5, Vulic 2, Remde 5, Krüger
Robert Zehmisch: „Heute hat irgendwie alles gepasst“
Robert Zehmisch hielt nicht nur vier Siebenmeter in der Partie, sondern war auch jenseits der Strafwürfe sehr gut aufgelegt. Und weil dem nun einmal so war, umarmte ihn Martin Ehm nach dem Spiel in der Kabine. Für seine Leistung wolle er ihm einen ausgeben, sagt der Ehminator.
Welcher von den Siebenmetern, den Sie gehalten haben, war der schönste?
Das kann ich nicht ad hoc beantworten. Der erste Siebenmeter beim Stand von 3:5 war jedoch der wichtigste, ansonsten wäre Suhl wohl davongezogen.
Hermsdorf agierte phasenweise äußerst souverän. Dergleichen war nach dem Auftakt nicht wirklich zu erwarten. Was lief heute besser?
Heute hat irgendwie alles gepasst. Wenn ich ehrlich bin, hat sich das die Woche über beim Training nicht wirklich abgezeichnet, das war eher durchwachsen, doch womöglich haben wir alle Unsicherheiten da schon herausgelassen, sodass wir uns heute nicht mehr damit behängen mussten.
Wurde Ihnen gen Ende noch einmal etwas mulmig?
Kann man so sagen. Ich habe in Hermsdorf schon alles erlebt, aber am Ende haben wir ja gewonnen.
Mir fällt gerade auf, dass Sie ja ganz heiser sind.
Der merke ich jetzt auch gerade. Es wird wohl dem Geschrei nach den Siebenmetern und anderen Aktionen geschuldet sein.
Wird heute noch gefeiert?
Also ich fahre dann ins Schortental nach Eisenberg, wo alle Zeichen auf Oktoberfest stehen.
Na dann viel Spaß. Die Fußballer von Eintracht Eisenberg sind auch da, die haben ebenfalls gewonnen und haben zumindest heute noch die Tabellenführung inne.
(lacht) Gut zu wissen. Da habe ich ja Gleichgesinnte.
(Quelle: OTZ/Marcus Schulze/23.09.2019)